Popkultur und Krieg. Der palästinensische Kampf.
Die Popkultur hat unsere Vorstellungskraft schon seit langem durchdrungen. Auf den Bildschirmen unserer Smartphones überlagern sich Bilder von fernen Konflikten mit Songvideos, schrägen Gruppentänzen, Modeartikeln und wütenden Politikern, deren Körpersprache an Actionfilme erinnert. Die Kombination von Pop und Gewalt hat sich als ziemlich erfolgreich erwiesen. Der Quantensprung wurde erreicht, als die Popsprache begann, Kriege zu erzählen. Wir erwarten fast schon einen passenden Soundtrack, damit sich diese starken Bilder in unserem Gedächtnis festsetzen.
Auf der anderen Seite nutzt der Krieg das Vokabular des Pop, um sich verständlich und vor allem sichtbar zu machen. Kürzlich geschah dies mit den Videos, die Hamas-Terroristen von den Geiseln aufnahmen, die sie bei ihrem Angriff am 7. Oktober 2023 entführten. Der Wüstenhintergrund und die Flucht mit dem Motorrad erinnerten an Cowboys und Ausflüge auf der Straße. Die Entführer wollten der Welt eine hochaktuelle Botschaft übermitteln: Die Palästina-Frage war wieder da, und niemand würde es mehr wagen, sie zu ignorieren. Nie wieder. Um diese Botschaft zu verbreiten wählte Hamas, vielleicht unbewusst, die Bildsprache der Filme von Quentin Tarantino. Auf diese Weise hätte die Welt zugesehen. Und zugehört.
Vor einigen Jahren reiste ich nach Israel und sah die Wandbilder von Banksy in Bethlehem, an der Sperranlage zwischen Israel und Westjordanland. Wunderschöne Wandgemälde, die den jahrzehntelangen Schmerz der Palästinenser herausschrieen.
Die Gemälde erinnerten mich an Belfast in den 1990er Jahren, nicht nur wegen Banksys britischer Herkunft. Szenen von Bombenexplosionen, Verhaftungen, Waffen und der Trauer, die auf den Verlust folgt, wurden durch leuchtende Farben noch eindrucksvoller. Eine Bildsprache, die so alt ist wie Warhols Campbell's Soup Cans, wurde verwendet um den Hass der Palästinenser auf die Ungerechtigkeit auszudrücken. Schriftzüge in Englisch, Französisch, Arabisch und Hebräisch waren Teil des Kunstwerks. Dramatische Sätze wie "Wir können nicht leben, wir warten auf den Tod" oder "Ein Land ist nicht das, was es tut, sondern auch das, was es duldet" erschienen wie Plakate an der Autobahn. Die Popkultur spricht direkt. Es sind keine Filter erforderlich. Es ist denkbar, dass wir diese Geschichten als Comics dargestellt sehen müssen, um zu erkennen, dass sie real sind. Ein Wandbild zeigte ein riesiges Insekt, das eine Betonplatte nach der anderen umstößt, als wären es Hindernisse, die man überwinden muss, um den nächsten Level eines Videospiels zu erreichen. In einem anderen Gemälde erinnerten mich Jugendliche, die Handgranaten werfen, an Comic-Helden, und ein plakatähnliches Bild von Leila Khaled, die für zwei Flugzeugentführungen in den Jahren 1969 und 1970 verantwortlich war, lässt uns an eine Stilikone in Kefia und Kalaschnikow denken.
Die Bilder werden noch aussagekräftiger, wenn alte Embleme mit moderner Ikonographie kombiniert werden. Ein Stück weiter an der Wand war ein Foto von Abu Mazen, der ein Abkommen in den Händen zu halten schien. Neben ihm war eine weiße Taube im Flug, die einen Olivenzweig im Schnabel trug. Die Taube trug eine kugelsichere Weste. Oder vielleicht eine Bombe. Sie erinnerte mich an die Selbstmordattentäter, die sich in den 1980er Jahren in Bussen in die Luft sprengten. Auf der Brust das Zeichen für ein Scharfschützenzielfernrohr. Daneben standen ein "Willkommen in Bethlehem"-Schild und eine Werbung für feinen Schmuck und Olivenholzschnitzereien. Die Symbolik des großen Bildes war dicht. Hollywood-Filmsprache vermischte sich mit dem Alten Testament und dem Heiligen Geist. Der Olivenzweig bezog sich auf Noahs Erkenntnis, dass das Land nahe ist. In Rom verwendeten die frühen Christen das Symbol eines Vogels mit ausgebreiteten Flügeln in den Katakomben, um die Reise der Seele in den Himmel darzustellen. Ich frage mich, ob Banksy das wusste, als er das Bild malte. Wahrscheinlich wusste er es. Ich musste auch an das Paradies denken, das den Dschihad-Märtyrern versprochen wird.
Die Videos der Hamas und die Wandmalereien an der Absperrung wollen mit unterschiedlichen Ergebnissen vermitteln, dass die Palästinenser trotz allem existieren. Die Videos verherrlichen den Krieg - eine Art Pulp-Fiction-Propaganda. Die Gemälde sind ein Ausdruck des Selbst - die Stimme eines Volkes. Die Popsprache dient dazu, die Botschaft wie einen Schrei klingen zu lassen, nicht um sie zu überhören. Ein Musiktitel, der aus Lautsprechern dröhnt, wie sie auf der Rave-Party in der Negev-Wüste gestanden haben müssen. Laut. Verheerend. Unmöglich zu vergessen. Ebenso wie die Schreie der Opfer.
Sie sprechen auch über die Sehnsucht nach einem Zuhause, auch nur als Hintergrundthema. Das Zuhause, das die Palästinenser nicht haben, verkörpert durch den Schlüssel, der oft bei Ihnen and der Wand hängt. Der Hausschlüssel von den Häusern die 1948 verloren, aber nie verlassen wurden. Eine Trauer, die an die unverputzten Wände erinnert, die in jüdischen Häusern auf der ganzen Welt zu finden sind und die Zerstörung des Tempels in Jerusalem symbolisieren. Praktiken, die für zwei Völker, die sich in einem ewigen Konflikt befinden, seltsam ähnlich wirken.